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028: HICP - der EZB's vier Buchstaben

Welch bewegte Wochen liegen am Devisenmarkt hinter uns:

  • Yen-Interventionen als Reaktion auf die Natur- und Nuklearkatastrophe in Japan

  • Zinserhöhung der EZB zur Bekämpfung der erhöhten Teuerungsrate (erste Zinsbewegung seit fast zwei Jahren)

  • Euro-Aufwertung gegen US-Dollar trotz verstärkter Umschuldungs-Diskussionen um Griechenland

  • Euro-Aufwertung gegen US-Dollar trotz Portugals Hilfegesuch durch den EU-Rettungsschirm

  • Kontinuierliche Dollar-Abwertung gegenüber allen Hauptwährungen (EUR, GBP, CHF, AUD, CAD und zuletzt auch wieder JPY)

  • Kontinuierliche Dollar-Abwertung gegenüber Hartwährungen (Gold, Silber, Öl etc.)

  • Chinas erneute Rekordstände in ihren Devisenreserven

  • Senkung des Ausblicks der US-Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur S&P

  • Devisenkrise in Weißrussland

Was bedeutet das alles für den Euro bzw. dessen Wechselkurs zum Dollar? Hier einige weiter führende Gedanken:

  • Euroland hat sich vorerst als stabilerer Währungsraum im Vergleich zum US-Dollar etabliert.

  • Seit Januar 2010 wurde die Berechnungsmethode für den HICP (harmonisierter Verbraucherpreis-Index) verändert. Saisonale Produkte im Warenkorb sollen damit geglättet werden. Der Effekt ist, dass die offiziell ausgewiesene Preissteigerungsrate des Euroraums nun 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte niedriger liegt als ohne die Asjustierung. Jedes bisschen zählt im Kampf gegen die Inflation, auch wenn dieses bisschen keinerlei Auswirkung auf die echten Preise hat, die wir alle im Laden bezahlen.

  • Der Effekt dieser Anpassung liegt teilweise sogar im Bereich eines vollen Prozentpunktes, wenn z.B. auf eine einzelne Länderstatistik wie die von Griechenland geblickt wird. Italien und Portugal liegen etwa bei einem halben Prozentpunkt.

  • Der HICP wird von Eurostat - dem statistischen Amt der EU - berechnet. Eurostat ist im Gegensatz zur EZB nicht unabhängig von der Politik.

  • Statistische Spielereien hin oder her: der Anstieg der Produzentenpreise liegt nach 5,9% im Januar nun bei 6,6% im Februar. Das ist der höchste Stand seit September 2008, dem Monat des Lehman-Brothers-Zusammenbruchs und quasi Beginn der Rezession. Unternehmen geben Kostensteigerungen ihrerseits mit ein wenig Zeitverzug an Endverbraucher weiter, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Entwicklung der Produzentenpreise kann also als Vorläufer der Verbraucherpreise betrachtet werden. Das heißt, auch der Euro verliert an Kaufkraft, ob statistisch gemessen oder nicht.

  • Die EZB wird weiter eine Gradwanderung zwischen ihrer originären Aufgabe (Preisstabilität) und politischen Wünschen (Staats-Schuldenfinanzierung durch Kaufkraftverlust) fahren. Zinsanhebungen sind dabei erstes Mittel der EZB.

  • Immerhin schaut die EZB auf die gesamte Preissteigerungsrate. Die US-amerikanische Zentralbank Fed legt ihren Augenmerk auf die so genannte Kernrate. Was ist das? Die Kernrate ist der wenig schwankende Teil des Warenkorbs, dessen Preissteigerung gemessen wird. Lebensmittel- und Energiepreise sind außen vor, da sie stärkeren saisonalen und Rohstoff-Weltmarktpreis-Schwankungen ausgesetzt sind. Genau die sind es jedoch, die ich hauptsächlich im Geldbeutel spüre. Geht es Ihnen ähnlich, ja oder nein?

Mein Fazit für das Währungspaar EUR-USD: In Europa wird derzeit also eine "ehrlichere" Geldpolitik betrieben. Solange diese Konstellation anhält und vor allem solange der Devisenmarkt weiterhin diese Konstellation erwartet, wird der Euro in US-Dollar ausgedrückt gut unterstützt bleiben oder sogar weiter steigen.

Was ist Ihre Meinung? Wenn Sie mehr aus Ihrer Meinung machen wollen, sprechen Sie mich an. Ich teile gerne meine langjährige Expertise in der Entwicklung und Durchführung von Währungsstrategien mit Ihnen.

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