Der letzte Versuch – Wann ist es Zeit, das Traden wirklich loszulassen?
Auf meine letzten Artikel zum Thema Abkehr vom Trading habe ich viele Rückmeldungen erhalten – und eine hat mich besonders bewegt. Ein Leser schrieb:
„Hi [Cristof], das ist ja irre und wird mir aber helfen, evtl. doch das Traden mit der Zeit aufzuhören. Aktuell bin ich aber mit einem Trading Buddy an einem EA, den möchte ich noch nicht aufgeben, dank auch Deiner vielen Inputs. Vielen Dank schon mal dafür. Wenn das dann auch nichts wird langfristig, dann steige ich auch um auf ein befreites Leben.“
Ich erkenne mich in diesen Worten wieder. Auch ich habe mir oft gesagt: „Noch dieser eine Versuch, dann höre ich auf.“ Aber wann ist wirklich der Punkt erreicht, an dem man sich eingesteht, dass es Zeit ist, loszulassen?
Die Psychologie des „Nur noch ein Versuch“
Warum fällt es uns so schwer, etwas aufzugeben? Warum können wir uns nicht einfach sagen: „Es reicht, ich gehe weiter“?
Die Antwort liegt in unserem menschlichen Denken. Wenn wir viel Zeit, Geld und Energie in etwas investiert haben, fällt es uns unglaublich schwer, das als „verloren“ zu betrachten. Das nennt man den Sunk Cost Fallacy – die Tendenz, an etwas festzuhalten, nur weil wir schon so viel hineingesteckt haben.
Noch schlimmer: Unser Gehirn belohnt uns mit kleinen Dopamin-Schüben für jeden Fortschritt – selbst wenn das Gesamtbild zeigt, dass wir auf dem falschen Weg sind. Ein gewinnender Trade, ein guter Backtest, ein neuer Indikator – all das gibt uns das Gefühl, kurz davor zu sein. Aber ist das wirklich so? Oder ist es nur eine Illusion, die uns weiter festhält?
Wann ist ein letzter Versuch wirklich sinnvoll?
Ein „letzter Versuch“ ist dann sinnvoll, wenn:
Du eine klare, objektive Erfolgsmetrik hast (und nicht nur ein vages Gefühl).
Du eine realistische Einschätzung hast, ob dein Ansatz wirklich funktioniert – und nicht nur darauf hoffst.
Du ehrlich beantworten kannst: „Würde ich das Gleiche in 10 Jahren noch tun, wenn es nicht funktioniert?“
Häufig ist die bittere Wahrheit: Der letzte Versuch wird nicht anders ausgehen als die vielen vorherigen.
Ich sage das nicht, um zu entmutigen. Sondern um dir eine Entscheidung zu erleichtern, die ich selbst viel zu lange hinausgezögert habe.
Was kommt nach dem Trading?
Viele Trader haben Angst, was nach dem Trading bleibt. Ist das Leben ohne Charts und Strategien nicht langweilig? Fällt man dann in ein Loch?
Die Wahrheit ist: Es ist genau das Gegenteil.
Ich habe es selbst erlebt – und ich habe es bei vielen gesehen, die aufgehört haben.
Plötzlich kehrt Frieden ein. Der Druck fällt ab. Die ständige Unruhe, das Gefühl, immer noch einen besseren Weg finden zu müssen, verschwindet. Und etwas Erstaunliches passiert: Die Menschen um dich herum – deine Familie, deine Freunde – beginnen, dir anders zu begegnen.
Viele Trader merken erst nach dem Ausstieg, wie sehr das Trading ihre Beziehungen belastet hat. Die ständige Ablenkung, die emotionalen Höhen und Tiefen, die Unsicherheit – das alles färbt ab.
Aber wenn du aufhörst, verändert sich das. Dein Partner, deine Kinder, deine Freunde – sie merken, dass du wirklich da bist. Dass du nicht mehr innerlich abwesend bist, weil du gerade einen Trade verarbeiten musst oder über den nächsten Backtest nachdenkst.
Dieses wiedergewonnene Vertrauen ist unbezahlbar.
Es ist das, was bleibt, wenn die Charts geschlossen sind.
Die soziale Hürde: Was sagen die anderen?
Ein oft unterschätzter Hinderungsgrund beim Aufhören ist das Umfeld. Was werden Freunde, Bekannte oder Kollegen sagen? Muss man sich rechtfertigen?
Hier sind zwei Ansätze, die helfen können:
Neutral und sachlich bleiben: Falls du gefragt wirst, warum du aufgehört hast, kannst du einfach sagen: „Ich habe das lange ausprobiert, aber es hat sich für mich nicht als sinnvoll erwiesen. Ich habe mich für andere Wege entschieden.“ Damit setzt du klare Grenzen, ohne dich in endlose Diskussionen verwickeln zu lassen.
Den Spieß umdrehen: Falls jemand insistiert, kannst du die Gegenfrage stellen: „Hast du selbst langfristig mit Trading Geld verdient?“ Oft bringt das den anderen ins Nachdenken – und entlastet dich von der Pflicht, dich zu rechtfertigen.
Wichtig ist: Du bist niemandem eine Erklärung schuldig. Dein Leben, deine Entscheidung.
Wie Meditation beim Loslassen helfen kann
Das Loslassen vom Trading ist nicht nur eine rationale Entscheidung – es ist auch eine emotionale. Viele ehemalige Trader berichten, dass sie eine innere Unruhe verspüren, wenn sie plötzlich ohne Marktanalysen, Strategien und Trades dastehen.
Hier kann Meditation helfen. Sie ermöglicht es, diesen Zustand des „Nichtstuns“ auszuhalten, innere Klarheit zu finden und sich bewusst auf neue Lebensbereiche zu fokussieren.
Ich habe diesen Prozess selbst durchlaufen – und in meinem Buch Long-Term Investing for Meditators beschreibe ich genau, wie Achtsamkeit dabei helfen kann, sich von kurzfristigem Denken zu lösen und langfristig in Stabilität und Ruhe zu investieren. Denn letztlich geht es nicht nur darum, das Trading aufzugeben, sondern auch darum, ein erfülltes Leben danach zu gestalten.
Fazit: Ist Trading wirklich das, worin du dein Leben investieren willst?
Jeder muss seine eigene Entscheidung treffen. Aber ich möchte dich dazu einladen, dir diese Fragen zu stellen:
Bin ich wirklich bereit, noch jahrelang weiterzumachen, wenn es bisher nicht geklappt hat?
Ist das Trading der beste Weg, meine Zeit, Energie und mein Geld zu investieren?
Oder gibt es einen besseren, friedvolleren, nachhaltigeren Weg?
Die Entscheidung liegt bei dir. Aber ich hoffe, meine Geschichte hilft dir, sie mit offenen Augen zu treffen.
-Cristof von mindfulfx.de
PS: Mein Shop mit den EAs und EA-bezogenen Kursen wird nur noch bis Ende März live sein.